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Die These
Es wird zu wenig gestorben im Rollenspiel. Es wird viel getötet, aber zu wenig gestorben. Ich finde, der Tod eines Protagonisten ist ein wichtiges Element in nahezu allen Erzählformen, außer im Rollenspiel. Da ist er selten ein Ereignis mit positivem emotionalen Effekt. Entweder das Spiel schreddert Charaktere so häufig, dass es ohnehin keine wirklich emotionale Bindung zum Charakter gibt, oder es tut das nicht, dann ist der Tod eines Charakters immer irgendwo umkämpftes RL-Drama und nicht die bewegende Szene, die er sein sollte.
Ich plane deshalb den Tod eines Charakters gerne mal mit dem
betreffenden Spieler zusammen, wenn der des Charakters müde ist. Es ist seine
Geschichte – er sollte ein Mitspracherecht haben, wie ihr Ende ist. In diesem
speziellen Fall ging es mir aber um mehr. Ich wollte das Feeling eines
aussichtslosen Unterfangens für meine Spieler, in dem es nicht mehr um das
eigene Überleben geht, sondern darum, dem Tod noch einen letzten kleinen Sieg
abzuringen, bevor man geht; ein Licht für die Zukunft zu bewahren.
Folglich ließ ich die Charaktere ein protheanisches Artefakt
finden, eine große, spiegelnde Kugel aus der Zeit vor 50.000 Jahren, als die
Reaper das letzte Mal die galaktischen Zivilisationen auslöschten. Als sie die
Kugel erreichten, verströmte sie die Erinnerungen eines Trupps protheanischer
Soldaten, an die Ereignisse ihrer letzten Stunden. Ich wollte aber, dass die
Spieler das Ganze erleben und nicht nur aufnehmen, damit sie die Dringlichkeit
des Kampfes gegen die Reaper einmal selbst erleben, also sollten sie das Ganze
selbst durchspielen – inklusive eines tragischen Endes.
Die Umsetzung
Ich hatte also kleine Charakterbögen vorbereitet, für den Protheaner-Trupp, mit den Werten und mit Angaben zu einer Funktion in der Gruppe, die grob der Rolle in der eigentlichen Gruppe entsprach. Außerdem gab es noch ein jeweiliges kleines Charakterbild (deviantart sei Dank für genug Bilder von Protheanern… und Protheanerinnen) und eine Kurzbeschreibung des Charakters. Nach einer kleinen Filmsequenz aus dem „Aus der Asche“-DLC und einem etwa eine Seite langen allgemeinen Text über den aktuellen Stand des protheanischen Imperiums verteilte ich also die Bögen. Nach fünf Minuten Einlesepause legten wir los, mit einer direkten Actionsequenz im Kampf gegen Protheaner-Husks… und legten eine ungeheuer immersive Session hin.
Protheanische Soldaten im letzten Gefecht. |
Die protheanischen Charaktere waren an einer Nachschubbasis für die Vorbereitung des Ilos-Projektes stationiert – eine protheanische Rückzugswelt für Wissenschaftler, die als eine Art Arche der Auslöschung durch die Reaper entgehen wollen. Während die Charaktere aus der Erinnerung keine weiteren Details darüber kannten, wofür sie kämpften, wußten die Spieler das aus den Ermittlungen ihrer eigentlichen Charaktere durchaus. Dem Fanatismus der vorgegebenen Charaktere konnten meine Spieler dadurch mit einem ganz anderen Hintergrund folgen. Was dann folgte, war ein einseitiger Kampf auf verlorenem Posten.
Die Charaktere verteidigten eine planetare Basis, bis die aufgegeben werden mußte. Sie zogen sich mit Evakuierungsshuttles zu einer Raumstation zurück und verteidigten die. Nach schweren Verlusten durch Sabotage infiltrierter Verbündeter und Angriffen feindlicher Schiffe mußte auch die Basis schließlich geräumt werden, die Selbstzerstörung wurde aktiviert. Die Charaktere leiteten die Evakuierung der rund 400 Wissenschaftler und Arbeiter auf eine schon schwer beschädigte Fregatte. Als die sich schon bereit zum Sprung aus dem System machte, attackierte ein Reaper-Zerstörer die Station, grub sich hinein und hackte sich in die Datenbanken. Die Selbstzerstörung war schon deaktiviert, und die Reaper drohten die Position von Ilos zu erfahren. Im Licht dessen beschlossen die Charaktere, ihr Fluchtschiff in die Station zu steuern. Die letzten Worte: "Unser Opfer wird gewürdigt werden im Neuen Imperium." Mit der finalen Explosion endete die Vision... und, bis auf ein minimales Rückkehren in die Normalität, auch die Sitzung.
Die Rezeption
Die Spieler gingen in den Charakteren total auf und legten sich richtig ins Zeug. Zwei von ihnen mußten leider früher gehen, was allerdings diesmal fast ein Vorteil war, denn sie opferten ihre beiden Charaktere recht früh zum Wohl der Gesamtgruppe auf und brachten damit die Stimmung früh ins Fatalistische. Durch das Gefühl von Zerstörung und Verrat durch Indoktrinierte überall arbeiteten die Spieler nahezu von selbst auf den Untergang hin, und so war es am Schluß auch (wie erhofft) ein Spieler, der den Vorschlag machte, das Schiff in die Station zu steuern. Der letzte Flug der Fregatte, mit einem entsprechenden Musikstück unterlegt, von den teilweise schon tödlich verstrahlten und sterbenden Charakteren als Notbesatzung auf der Brücke selbst eingeleitet, gehört dann doch zu den stimmungsvollsten Dingen, die ich im P&P erlebt habe. Ich kann jedem, der es noch nicht erlebt hat, nur empfehlen, eine solche Szene mal zu probieren.
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